Kalimbur - 2. Teil

Kalimbur und das mysteriöse
Laboratorium voller Fantasie

2. Teil

"Na Shiri, hast Du die Reise gut überstanden?" Alvaro blickte Shirimiposa noch tiefer in die Augen. In diese kleinen, strahlenden mit glitzernder, pinker Wimperntusche dick geschminkten blauen grünen Augen.

"Ganz hervorragend! Es war ganz toll. Wirklich toll. Es waren ja auch nur ein paar Stunden und dazu noch dieses Gestinke in Deiner Tasche. Was um alles in der Welt hast Du da reingepackt?" und dabei verdrehte sie ihre Augen und sah aus, als würde sie jeden Moment in Ohnmacht fallen.
"Mir war richtig schlecht. Ach, was sage ich, ich war kurz davor mich zu übergeben! So schlimm war es."

"Oh, das tut mir sehr Leid, ähm, ehrlich," antwortete Alvaro ein wenig kleinlaut vor soviel Gezehter.
"Aber ich wußte nicht wohin mit der Gürteltierkralle. Du weißt doch, die, die ich letztens unten am Flußufer gefunden habe als wir mit den Pferden ausgeritten sind. Jetzt stell dich mal nicht so an wie ein Mädchen. Du bist doch im Urwald groß geworden oder? Und außerdem hat mir Großvater gesagt, das sie Glück bringt und ich sie unbedingt mitnehmen muß. Nun ja, vielleicht war sie noch ein bißchen zu frisch . . . ich hab ehrlich nicht gedacht, das sie so schlimm riechen würde. Na wenigstens habe ich meine Socken noch darumgewickelt und sie nicht so in die Tasche gestopft. Zu dir. Entschuldige. Jetzt bist du sie ja los, oder nicht?"

"Oh man, nen olles Gürteltier in einer oller Socke und mich noch dazu. Du hast ja tolle Ideen, einfach spitze. Das muß ich dir lassen. Ne, guck Dir meine Haare an," und dabei zeigte sie fast angewidert auf ihre völlig verstrubbelten Härchen. "Wie sehen die nur aus! Gräslich! Und meine teuer gekaufte Wimperntusche ist auch ganz verschmiert und . . . Shiri, jetzt ist genug damit" , ermahnte sie sich selber und fuhr sofort weiter fort. "Aber jetzt sind wir ja endlich da, wo immer das auch ist. Und deine blöde Tasche solltest du erst mal waschen. Bah. Aber hier riecht es ja ganz erträglich," gab sie von sich, während sie sich in alle Richtungen streckte und reckte. Dabei äugte sie neugierig durch den ganzen Raum, der vollgestellt war mit Kisten, Koffern und Kartons. Ein Haufen Chaos.
Ihr Blick blieb auf der großen geöffneten Fensterfront hängen, die ihr freie Sicht nach Draußen in einen wundervoll wilden Garten ermöglichte.

Sie reckte sich noch mehr, machte sich größer, stellte sich auf die Zehenspitzen und sog das satte Grün und die buntblühende Farbigkeit der Pflanzen tief durch ihr kleines Näschen ein.
"Man, das ist aber schön hier! Ich dachte immer, Deutschland ist eher so grau, eintönig und dreckig. Aber das, was ich jetzt hier sehe, ist echt ein bißchen wie Daheim. Da hinten, guck, da wachsen ja sogar Fuchsiensträucher. Na ja, ein bißchen kleiner, aber auch hübsch. Schau doch mal! Schau," forderte sie Alvaro auf und beide versanken kurzzeitig in Erinnerungen. Auf Alvaros Wange bildete sich eine kleine Träne. Sie perlte ganz langsam weiter abwärts und bevor sie sich auf den Boden verlieren konne, wischte er sie mit dem Ärmel seines Pullovers weg, als wäre nichts gewesen.

"Daheim, das war bis gestern noch der wilde patagonische Süden Argentiniens gewesen. Bei Opa auf der Farm, am Fluß unweit vom See. Den lieben Menschen dort, den Freunden mit denen er immer Kayak auf dem türkisblauen Gletscherfluß gefahren war, das war der Geruch von frisch aus dem Ofen gebackenem Brot, Ausritten in der Nacht und Opas leckerster Eintopf. Der erst dann am besten schmeckte, wenn er ihn zu lange auf dem alten Herd hatte kochen lassen. Mit Kräutern aus dem eigenen Garten. Das war . . .

So schnell wie Alvaro diese Gedanken gekommen waren, so still und leise verschwanden sie auch wieder und mit ihnen der leichte Anflug von Traurigkeit. Jetzt war er hier. Mitten in Deutschland. Warum nicht auch mal etwas anderes ausprobieren. Hätte er eine Wahl gehabt? Wollte er seine Eltern längere Zeit nicht sehen können? Es wird hier bestimmt auch spannend sein. Na ja, keine Ausritte des Nachts, dafür aber bestimmt etwas anderes.

Währenddessen hatte Shirimiposa einen ihrer zahlreichen Lippenstifte aus der Tasche gekramt und trug sich genüßlich, kräftiges, nach Kaugummi riechendes Rosa auf. Sie liebte es. Sie war in ihrem Element. Was in so einer kleinen Tasche alles drin sein konnte war unfaßbar. Und dieses Durcheinander, aus Lippenstiften in allen möglichen Farben, dazu wasserfeste Wimperntusche, mit und ohne Glitzer in Grau, Blau, Schwarz und weiteren Farben. Einigen Parfümfläschen, Farbspraydosen, Haarkämmen und einigem mehr. Auch bei ihr war die Trauer wie weggeblasen? Vielleicht noch ein bißchen, und wenn, dann nur kurz. Und überhaupt würde sie das nie zugeben. Nicht vor Alvaro.

Glitzern erstrahlten ihre frisch gebürsteten Häarchen im Gesicht und am ganzen Körper und wurden durch das intensive Sonnenlicht das durch die großen runden Fenster hereinströmte um so deutlicher sichtbar. Sie klappte langsam und sehr elegant ihre Flügel aus. Sie waren durch die lange Reise schon leicht angeknittert, legte ihren Kopf nach Hinten und strich sich behutsam mit ihren schlanken Fingerchen über ihre langen wunderschönen Fühler.
Sie rieb sich ein bißchen Spucke daran und fertig war sie wieder. Noch ein Tropfen ihres süßen Parfüms nach Vanille dazu und sie war mit ihrer Körperpflege fertig. Gerade wenn man in der Wildnis wohnte, konnte man nicht genug auf seine Schönheit achten.

Na, du hast völlig richtig gelesen. Shirimiposa IST ETWAS ANDERS. Anders, wie du bestimmt zu Anfang der Geschichte gedacht hast. Oder? Sie ist von Kopf bis Fuß behaart. Sie hat große strahlende Augen, einen frechen Blick, eine sportliche Figur und sie ist ein . . . . . . Schmetterling. Ups . . .

Hi, hi, je älter ich werde, desto geschwätziger werde ich, das muß ich schon sagen . . . Aber es macht ja auch ein bißchen Spaß! Wohin mich das noch einmal führen wird? In meinem Alter. Hm, nun gut . . . Du weißt es jetzt. Vielleicht ein bißchen zu früh, wenn ich so an den Verlauf der weiteren Geschichte denke. Oder nicht? Na ja, wie auch immer, dann sollst du es jetzt auch genau wissen.

Du bist doch neugierig? Also . . . wir sind und wenn ich wir sage, meine ich mich natürlich auch, Schmetterlinge und gehören zu den Tagfaltern. Wir sind recht groß mußt du wissen. Viel größer als unsere
Verwandten. Unsere äußere Erscheinung ist allerdings eher unauffällig was die Farben angeht. Hauptsächlich Grün, Grau, Braun, Beige und Schwarz.

Du mußt wissen, wir haben viele Feinde und eine gute Tarnung, die uns in der Wildnis hilft, besser zu überleben. Was für eine schlimme Vorstellung, im Schnabel eines Vogels hastig verschlungen zu werden. Ja, und wir sind sehr zurückhaltend was Fremde betrifft. Nahezu vorsichtig. Nur Shirimiposa ist da ein wenig aus der Art geschlagen, wie man so schön sagt. Sie ist noch recht jung und etwas verrückt. Wie soll ich´s sagen. Sie ist sehr schlau und mutig. Aber sie hat als Einzigste von uns ständig diese Schminksachen mit dabei. Immer und überall schleppt sie sie in einem kleinen Beutel, der um ihren Körper gehängt ist, umher. Und das hier im Dschungel zwischen Blättern, Ranken, Blumen, Morast und Moosen.

Das mußt du dir mal vorstellen. Ja, stell es dir bitte jetzt einmal vor, dann verstehst du, was ich meine. Wir sind seit ewigen Zeiten sehr traditionsbewußt und ich kann dir sagen, im Dorf war was los, als sie vor ein paar Jahren damit anfing. Und ihre Eltern erst einmal. Die waren auf hundert, wie man sagt. Keiner weiß bis Heute wo sie diese Dinge her hat. Aber das ist jetzt nicht ganz so wichtig. Ja, und dieser Junge, dieser Alvaro mit den dunkelbraunen Augen, was ist mit ihm? Wieso wird er ausgerechnet zu einer der Hauptfiguren unserer Geschichte? Das und vieles mehr erfährst du im weiteren Verlauf. Mehr verrat ich noch nicht, sonst krieg ich wieder Ärger von den Anderen für mein Plappermaul.

Übrigens, hi, hi, so schnell wirst du mich nicht los. Wer an dieser Stelle nicht weiß, was ein Gürteltier ist, sollte es unbedingt nachschlagen. In Südamerika, in Argentinien, Chile und Bolivien, gibt es verschiedene Arten und auch Größen.

Manche sind Vegetarier und manche von Ihnen Alles-und Fleischfresser. Aber ich muß Euch sagen, die vegetarischen Gürteltiere schmecken eindeutig besser. Mit ihrem leckeren, dunklen Fleisch.

ALSO, HAB ICH GEHÖRT! Wir Schmetterlinge essen ja kein Fleisch. Aber in manchen Dörfern werden sie von den Einheimischen gezüchtet. Wie Kaninchen. Macht ihr so etwas auch? Ich meine Tiere zum Verzehr halten? Hab ich jetzt wieder was Falsches gesagt? Dann bin ich lieber wieder still.